Junip sind das Trio, in dem José González schon immer gespielt hat. Das ist der José González, dessen Solo-Karriere praktisch über Nacht durch eine einzige banal bunte TV-Werbung aus den Angeln gehoben wurde. Weltweit ließen sich Menschen von seiner einzigartig markanten und dennoch fragilen Stimme über minimalistischen Gitarrenfolk zu einer tiefen emotionalen Verbindung hinreißen und strömten spontan in die Läden, um fortan nur noch Farbfernseher von Sony zu kaufen. Aber sie kauften eben auch die Platten und Konzertkarten von González, um sich noch mehr von dieser Stimme um den Finger wickeln zu lassen. Die Werber jubelten ob ihres großen Erfolges, Sony jubelte ob der Fernseherabsätze, José González jubelte nicht nur, denn schon bald war der Trubel um seine Person nicht mehr auszuhalten, und der Rest seiner Band JUNIP, die jubelte am allerwenigsten, denn sie saßen zu Hause in Göteborg und warteten darauf, wieder mal ein Trio zu sein, statt ein Duo in der Warteschleife. Viele Jahre ging das so. Bis im Jahr 2008 schließlich etwas Ruhe einkehrte und González den Startschuss geben konnte für Junip 2.0. Endlich sollte das Debütalbum eingespielt werden, der Band, die außer González (Gesang/Gitarre) noch aus Tobias Winterkorn (Keyboard) sowie Elias Araya (Schlagzeug) besteht. Echter Schweden-Multikulti, wenn man bedenkt, dass González der Sohn argentinischer Einwanderer ist und Arayas Eltern aus dem kommunistischen Äthiopien nach Schweden flohen.
Hinter “FIELDS“, dem lange verzögerten Debütalbum einer Band, die es eigentlich seit mehr als zehn Jahren gibt, aber dann auch wieder nicht, steckt also eine lange Geschichte von Geduld, Frustration, von Beharrlichkeit, Sturheit, stoischer Ruhe und am Ende Inspiration und Erfolg.
González und Araya machen bereits seit sie 14 sind zusammen Musik. Ihre damalige Leidenschaft für Hardcore führte zur ersten gemeinsamen Band namens Renascence (die sie später in Sweet Little Sinister umbenannten), und zu regelmäßigen Auftritten in Göteborg. Bei einem dieser Konzerte trafen sie Winterkorn, in einer Phase, in der das dogmatische Korsett von Punk und Hardcore den Teenagern bereits zu eng wurde. “We talked about music that wasn’t hardcore music,” erinnert sich Winterkorn. “I think we were all fed up and talked about doing something new. Our feeling was that we could do something more interesting with a setting that was more typical of the ‘60s and ‘70s.” “But by then in Sweden,” ergänzt González, “it felt like everyone else was into Americana and country with steel stringed guitars. We had nylon strings and a Moog.” Als bedeutende, damalige Inspirationsquellen listet González Caetano Velosos „Irene“, Curtis Mayfields „Move On Up“, Nicos „The Fairest Of The Seasons“ oder Milton Nascimentos „Travessia“ auf.
Die Bandproben fanden im Haus von Arayas Mutter statt und obwohl González anfänglich halbfertige Songs mitbrachte, stellte er schnell fest: “I noticed pretty early that it sounded better if we improvised together first and I then came up with a melody and lyrics.”
Im Folgenden trennten sich die Wege der Drei vorübergehend, da sich José González zunächst erstmal seinem Solo-Werk widmete, und Elias Araya für’s Kunststudium nach Finnland und später nach Norwegen zog. In dieser Phase traf sich die Band nur noch sporadisch, brachte aber immerhin eine EP namens „Black Refuge“ zusammen, die im Jahr 2004 veröffentlicht wurde und tatsächlich unter Kennern sehr gefeiert wurde. Dann kam jedoch besagte Farbfernseherwerbung – und eine Million verkaufter José-González-Tonträger.
“I always had the idea that Junip would do a full length,” sagt Winterkorn, “but all the breaks we had, made it hard to believe that we would really do one. Now I try not to think about the time it took.” “It was frustrating at times,” gibt Araya zu, während González es damit vergleicht, einem Kindheitstraum hinterherzujagen. “I’ve felt during interviews that I was just talking about castles in the air. We talked about it every time we met, but my touring always forced us to postpone things. 2004 sollte es eigentlich auch keine EP werden, sondern ein ganzes Album, “but,” seufzt González, “we were slow at writing so it ended up as just an EP. And then I went on tour again…”
Nachdem González mit dem Touren für das 2007 veröffentlichte ‘In Our Nature’ durch war, sollte dem Junip-Debütalbum nun endlich nichts mehr im Wege stehen und im Nachhinein stellt die Band sogar fest, dass die fortwährende Verzögerung auch etwas Gutes an sich hatte: “We’re ten years older now,” räumt González ein, “but it feels very natural now that we have gotten to know one another musically again.”
Zunächst wurde ein paar Monate lang nur gejammt, immer auf der Suche nach dem richtigen Groove, nach dem Funken, nach den Schlüsselmomenten, der richtigen Melodie. Alles, was in diesen Sessions entstand, wurde direkt aufgenommen, sodass sie nur noch “die Rosinen vom Kuchen nehmen und essen mussten“, wie es Winterkorn schmunzelnd beschreibt. Die Songs sollten unbedingt einem Groove folgen, sie sollten atmen und von Winterkorns analogen Synthies, den Orgeln und dem Rhodes durchweht werden. Ja, eine musikalische Wand bilden. “We spent a lot of time trying to get to where we wanted to go,” erklärt González. “There’s a thin line between being stubborn and perfectionist.” fügt Winterkorn hinzu. “It’s hard to let go of something when it doesn’t feel right, but sometimes we’re the exact opposite of perfectionists. Sometimes we didn’t even try as hard as we should have.” Es ist dieser Widerspruch, aus dem die Musik von Junip im Jahr 2010 eine ganz spezielle Dynamik bezieht – manche Songs klingen ungewöhnlich roh und enorm verzerrt, was laut Winterkorn in völliger Absicht geschah. Andere wiederum bleiben so zart und feinfühlig wie González in vielen seiner Solo-Stücke.
Immer aber betreiben Junip ein buntes Spiel mit Einflüssen, mit der Geschichte, mit ihren Vorlieben und Ideen. Es gibt kaum drei zurückhaltendere, junge Männer und genau dies ist auch ein Merkmal ihrer Musik. Selbst wenn sie am Krautrock geschulte Grooves auf John Martyn-artige luftige Keyboards loslassen, so geschieht dies immer in einer dezidierten Zurückhaltung der Bescheidenheit und Diskretion. Junip treten keine Türen ein. Sie klopfen leise aber wiederholt an. Sehr moderat. Modest wäre ein gutes Wort.
Beim konzentrierten Anhören zeigt “Fields“ mit jedem Ton, dass sich der lange Entstehungsprozess gelohnt hat. Von der galoppierenden Schlichtheit von ‘Off Point’ bis hin zur sanften Sommerbrise von ‘Always’, von der federleichten Gewandtheit von ‘It´s Alright’ zur anmutigen Melancholie von ‘Tide’ handelt es sich bei “Fields“ um ein berauschendes Album, das von der von Winterkorns Keyboard ausgehenden Wärme, Arayas raffinierten und eindringlichen Rhythmen und González’ unverkennbarer, weicher Tonalität und seiner rätselhaften Lyrik bestimmt wird. Von der Bescheidenheit dieser Platte profitiert sowohl die Freude am Detail als auch ihre trotzige Nicht-aus-dieser-Zeit- und Fern-dieser-Welt- Atmosphäre. Daher ist es auch kaum verwunderlich, dass González so versessen darauf war, der einsamen Welt des Solo-Künstler-Daseins den Rücken zuzukehren und wieder in die sogenannte “Junipsphere“ – wie Winterkorn sie bezeichnet – einzutauchen. Nach zehnjährigem Entstehungsprozess ist “Fields“ ein nahezu perfektes Debütalbum geworden, das beweist, was lange währt, wird endlich gut …